LAZY CLASS: Pressure Rising (Spirit Of The Streets)
Neue 7“ der polnischen Streetpunk-Band, die Songs zeigen, dass sie noch einmal einen ordentlichen Schritt nach Vorne gemacht haben. Eigenständiger und eingängiger Streetpunk, nahezu akzentfreies
Englisch und ordentlich Dampf, der hier abgelassen wird. Die Band klingt kraftvoll, aber nicht aufgesetzt und die 3 Stücke haben alle die gleiche Qualität. Insofern ein lohnenswertes Produkt,
dessen Drumherum auch grafisch schön gestaltet wurde, sofern man auf brennende Polizeibusse steht.
GARDEN GANG: Middle Class Symphony (Still Unbeatable/True Trash)
Unglaublich ausdrucksstarkes Album, dass GARDEN GANG hier vorlegt. Schon beim ersten Durchlauf gab es keinen Zweifel, dass das enorm viel Energie und Hingabe investiert wurde, um diese knapp 45
Minuten Subkultur zu konservieren. Das ist Punkrock, stellenweise etwas „dunkel“, aber nicht destruktiv, sehr eingängig und 77 mal innovativer, als viele andere Punkrock-Bands, die lieblos ihre
neuen Songs in den Kasten hämmern. Obwohl die Band im deutschsprachigen Gebiet beheimatet ist, klingt das Album verdammt britisch – fast britischer als manche britische Band. Ich bin begeistert,
da gibt es wenig Klischees, sondern einen hörbaren Beweis, dass Punkrock auch nach 40 Jahren nochmal ganz frisch und neu klingen kann.
STUHL: Next Time Better/ I THINK, YOU NOT (Stuhl Records) www.facebook.com/stuhlpunkroque
Minimalistisch aufgemachte EP dieses Salzburger Trios, dafür in weiss-maromorisiertes Vinyl investiert – so setzt man die Prioritäten richtig. Die beiden Songs sind ein weiteres Lockmittel, die
mein Interesse an dieser Band bestärken. Aufgenommen wurde in einem Studio namens „MischMaschine“ in Oberalm….das klingt verdammt ländlich und dennoch wird hier soundmässig ein Volltreffer
gelandet. Hier versteckt sich hardcore-verseuchtes Blut im STUHL, wenn das nicht Punkrock ist, was sonst? Beide Songs sind ein Hit und repräsentieren die Qualität dieser Band in vielerlei
Hinsicht, die Spurensicherung ist sich einig: hier waren Profis am Werk!
THE STRUGGLE: Endless (Pirates Press)
Hinter diesem Namen verstecken sich ein paar Engländer, die man auch von anderen namhaften Bands kennt. Allesamt Kapellen, die ansich für Qualität bürgen und unter dem Namen THE STRUGGLE ein
neues Projekt gestartet haben. Laut Beilageblatt wollte man einfach mal etwas Neues machen. Allerdings suche ich verzweifelt nach dem innovativen Funken, der diesen standardisierten Streetpunk
aus der Masse herauskatapultieren soll. Textlich haben sie einige, wichtige Themen verarbeitet, aber musikalisch hätte ich mir von Protagonisten dieser Kategorie (MAJOR ACCIDENT, GIMP FIST, etc.)
etwas erwartet, was mehr mitreisst.
TOPNOVIL/BUM CITY SAINTS: Split (Pirates Press/Contra Records)
Aussie-amerikanische Split-Produktion von zwei Bands, die derzeit sehr umtriebig und aktiv sind. Mit jeweils 3 Nummern ist die 7“ rappelvoll und jede Rille wurde mit heftigem Punkrock zugerotzt.
TOPNOVIL sind live ziemlich stark und auch im Studio zeigen sie, dass die englischen Bands aus den frühen 80ern nicht spurlos an ihnen vorbeigegangen sind. Ihre amerikanischen Kollegen klingen
wenig überraschend etwas amerikanischer, beide Bands harmonisieren aber ganz gut auf dieser gemeinsamen Platte. Qualitativ im oberen Bereich anzusiedeln, sehr druckvoll und ein Beweis, dass
erdiger Punkrock immer noch Platz auf dieser Welt besitzt.
GENERATORS: Street Justice (Pirates Press)
Doug Kane und seine Kollegen sind bestimmt die Fachmänner, wenn es um gute Musik geht. Mit „Street Justice“ bringen sie wieder einen weiteren Stein ins Rollen – auf der Platte sind zwar nur zwei
Songs enthalten, aber die bestätigen das, was seitens der GENERATORS in den letzten Jahren wieder verstärkt verkörpert wurde: bodenständigen Punkrock, der mehr ihre Wurzeln zum Vorschein bringt
als das, was sie vor etwa 10 Jahren in einer Phase machten, wo viele Bands aus dem Dunstkreis von „People Like You“ ein bißchen rocknrolliger klingen wollten. So präsentieren sich die Herren aus
Los Angeles von ihrer angriffslustigeren Seite, das stimmt mich erfreulich!
2ND CLASS SUBSTITUES: Among Apes 10“ (True Trash/Sleepwalk)
Die Wiener Band mit deutschem Sänger gibt es jetzt seit etwa 5 Jahren und sie haben von Anfang an den Eindruck gemacht, als würden sie einer ernsten Mission folgen. Die neue Platte beweist diese
Strategie insofern, dass das Songwriting sehr ausgefeilt und mit vielen kleinen Details bereichert ist. Eine Schublade reicht bei diesem Quartett nicht aus, aber der amerikanische Westküsten-Punk
ist an den 2ND CLASS SUBSTITUTES ebenso wenig vorbeigegangen, wie die Tatsache, dass THE CLASH und RAMONES nicht eine Erfindung von H&M sind…fünf Songs, die offenbar sehr akribisch erarbeitet
wurden, funktioniert leise und auch laut!
THE SIDEBURNS: Our Passion (Steeltown Records/MLM Records)
Die Russen sind wahnsinnig gut auf dieser 7“. Sehr rocknrolliger Straßensound mit viel Melodie und nahe an so mancher Chiswick-Band angesiedelt. Die Songs haben überraschende Strukturen und
laufen nicht immer nach dem gleichen Schema ab, sondern bringen wirklich einmal Abwechslung im wahrsten Sinne des Wortes. Textlich auf Englisch eingeschult ist das eher einfach gestrickt, aber
das macht der Qualität in diesem Fall keinerlei Abbruch. Eine sehr, sehr runde Sache, bei der es nichts zu bemängeln gibt. THE SIDEBURNS, das sind vier Skins, die es zu 100% ernst meinen.
Perfekt!
THE GONADS/UCHITEL TRUDA: We will never be divided Split (Steeltown Records/Oi!The Nische)
Interessante Kombination von zwei Bands, die sich hier ein Stück Vinyl teilen. THE GONADS zeigen sich von ihrer richtig guten Seite, sie hatten für mich auch eine langweilige Phase, aber diese
beiden Nummern hauen schon ordentlich rein. Respekt, dass Garry Bushell immer noch so enthusiastisch unterwegs ist. Die Russen von UCHITEL TRUDA sind eine ganz eigene Nummer, ich mach ihren
skurrilen Touch, den sie immer schon hatten und auch auf dieser Scheibe merkt man deutlich, dass sie keine Band von der Stange sind. Sehr schwungvoller Oi!-Sound. Sehr gute Aufmachung, runde
Sache!
ARTHUR & THE SPOONERS: Skinhead Spoonstomp (Contra Records/Steeltown Records)
Tadellose Partyband aus Deutschland, nicht nur der Titel sondern auch das gesamte Artwork ist an die legendäre SYMARIP-LP angelehnt. Traditioneller Sound wird von Arthur und seinen Männern nicht
geboten, sondern eher punkiger Offbeat mit jeder Menge Stimmungsgarantie. Die Band war allerdings immer schon für ihre kreativen Coverversionen bekannt und mit diesem Album haben sie sich
wirklich noch einmal ordentlich selbst übertroffen. Erstens mag ich die Auswahl der Bands und der jeweiligen Songs, die sie hier in ihrem eigenen Stil neu interpretieren. THE CLASH, VANILLA
MUFFINS, THE RUTS, BONECRUSHER….vor nichts wird Halt gemacht, geniale Übergänge! Zweites ist das ganze auch sehr unterhaltsam und gut umgesetzt, das ist eine richtige Partyscheibe und macht gute
Laune. Danke für diese Glückspille!
TAUSEND LÖWEN UNTER FEINDEN/LASTLIGHT: Compilation Of Unity (Unity Worldwide Rec.)
Soviel Unity, die von diesem Split-Projekt untermauert wird. Auf die neuen Aufnahmen von TLUF war ich schon sehr gespannt und wurde nicht enttäuscht. Kurz und knapp scheppert die deutsche
Ausnahme HC-Band ihre Beiträge zu dieser Split aus den Boxen. Mit einer Wucht, die ihresgleichen sucht. Hier bemerkt man deutlich, dass trotz Härte und Groove der Punkrock an den Herren nicht
spurlos vorbeigegangen ist. Sehr dynamische Songs und für mich somit die klaren Gewinner der Split, auch wenn es bei dieser Compilation bestimmt nicht um Konkurrenz geht. Unabhängig davon kann
ich mich LASTLIGHT trotz des Namedroppings wenig anfangen, was primär an der Stimmhöhe des Sängers liegt. Melodischer Hardcore ist eine ganz eigene Schublade, in die ich nur sehr selten greife.
Dennoch eine runde Sache, die mir besonders wegen den deutschen Löwen gut gefällt.
SABOTAGE: Den Nya Värdegrunden 10“ (RPO, BDS, Club Underground)
Eine mir bislang unbekannte Band aus Stockholm mit einer schönen 10“, die allerdings nur 4 Songs enthält. Das Markenzeichen an schwedischen Bands ist – welch Überraschung – sie klingen alle sehr
schwedisch. SABOTAGE fabrizieren verspielten, melodischen Streetpunk mit nörgelndem, aber standhaften Sänger. So haben die Nummern alle einen brauchbaren Ansatz von hymnischem Charakter. Was die
vier Typen textlich zu sagen haben, kann ich mangels Sprachverständnis nicht sagen, aber musikalisch ist das schon ein sehr ansprechendes Kaliber.
ATLANTES: Adamastor 7“ (Spirit Of The Streets Rec.)
Dieser Name ist bisher an mir vorbeigegangen. Der Gesamteindruck dieser hochwertig aufgemachten 7“ erinnert mich etwas an die TEMPLARS. Ein leicht mythisch-historischer Touch, nur zwei
Skins auf dem Foto in der aufklappbaren Hülle und zum Glück hört man nicht, dass es sich bei ATLANTES anscheinend eher um ein Studio-Projekt handelt. Kollegen dieser Gattung fallen oft durch
einen sterilen Sound auf, in dem manche Instrumente eher nur Mittel zum Zweck sind. ATLANTES klingen aber erfreulicher Weise wie eine komplette Band und die 3 französisch gesungenen Stücke machen
einen anständigen Eindruck. Live würde so eine Band wahrscheinlich nicht so spannend sein, aber auf Vinyl ist dieser rockige Oi!-Sound echt sehr stilsicher. 8/10 Punkte
CLOSE COMBAT: Spiet vaan Niks (Spirit Of The Streets Rec.)
Schön, dass es die Krachmacher aus dem Norden Europas immer noch gibt. Oder wieder? Eigentlich irrelevant, denn CLOSE COMBAT klingen auf diesem neuen Album genauso wie vor 10 Jahren. Das
bedeutet, sie sind sich selbst treu geblieben – musikalisch und auch thematisch dürften sie sich immer noch mit den gleichen Themen beschäftigen. Der Sound ist aggressiv und selbstbewusst,
Streetpunk oder Hardcore. Für Freunde von Bands wie DISCIPLINE und Konsorten ist das genau das richtige Album. Vor allem dann, wenn es einem lieber ist, wenn die Zeit etwas stehen geblieben ist.
Von den Texten verstehe ich kein Wort, aber die Attitüde ist unmissverständlich. Ich kann nicht beurteilen, wie das für Leute wirkt, die der Sprache mächtig sind, aber ich finde die 9 Songs
durchaus anhörbar, mehr Street-Flair als Posing-Faktor. Darum verzichtet man auf Fotos und hält sich grafisch sehr bodenständig hinsichtlich Booklet und Coverdesign. 7/10 Punkte
FRÜHSTÜCKSPAUSE: Balla balla nach Walhalla (Spirit Of The Streets Rec.)
Gibt es eigentlich noch eine Zielgruppe für solche Bands? Die Ära von Scumfuck-Bizarr-Spass-Punk ist immerhin schon längst vorbei, die Leute schließen heute immerhin lieber möglichst ausgefallene
Studienrichtungen ab und stehen dann auf intellektuelle Bands mit Texten, die sich genau gegen solche Bands wie FRÜHSTÜCKSPAUSE richten. Die 4 Herren dürften sich davon nicht beirren lassen,
immerhin ziehen sie ihr Ding jetzt auch schon einige Jahre durch. Sie orientieren sich humortechnisch ganz klar an der Basis, aber die Wortwahl und der Sarkasmus zeigt schon, dass FRÜHSTÜCKSPAUSE
ziemlich gezielt an die Sache rangehen. Die Musik ist jetzt nicht sonderlich spektakulär – Punkrock im Standardoutfit, aber ein paar Frustrierte wird diese Scheibe bestimmt zu einem Shitstorm in
sozialen Medien bewegen. Ganz witzig, wieder einmal ein solches Tondokument zu hören, aber nichts, das ich in auffälliger Regelmässigkeit aus dem Regal ziehen würde. 5/10 Punkte
HARD WAX: Diamond in the rough (Rebellion Records)
Als ich vor einigen Jahren in privater Runde prognostizierte, dass sich dieses ganze Glamrock/Bovverboy-Ding bestimmt zu einem neuen Trend innerhalb der Subkultur entwickeln würde, schenkte man
mir noch Unglauben. Dann haben GUIDA ihre ersten Platten veröffentlicht und wie im Akkord poppten auch andere Bands dieser Gattung rund um den Erdball auf. Inspiration holen sich die meisten
Musiker von den Originalen aus Australien und England, ein gewisser Vintagefaktor ist also nicht von der Hand zu weisen. HARD WAX aus dem United Kingdom sind dabei nur ein weiterer Baustein, die
sich allerdings neben SUEDE RAZORS aus den Staaten bestimmt am stärksten zum Skinhead-Kult bekennen. Diese ganze Thematik lässt somit auch sehr viel Spielraum, ist musikalisch auch mal ein
frischer Wind und gefällt mir weit besser, als sich die anfangs erwähnten GUIDA entwickelt haben. So sehr sich mit dieser neuen Facette innerhalb der Szene neue Tore geöffnet haben, so dünn
ist die Luft auch gleichzeitig in Sachen Kreativität. HARD WAX gefällt mir im Vergleich zu anderen Protagonisten dieser Revival-Bewegung aber am besten, weil sie sich selbst auf Album-Länge nicht
unbedingt als langweilige Kopie der Kopie präsentieren. Ewig wird sich das wahrscheinlich auch nicht halten, aber derzeit kosten diverse Plattenfirmen diesen kleinen Boom aus – wenn Bands wie
HARD WAX sich auf Dauer halten würden, dann wäre dies durchaus erfreulich. 8/10 Punkte.
OLD FIRM CASUALS: Wartime RocknRoll (Rebellion Records)
Lars Frederiksen ist sowas wie ein Workaholic – mit den OLD FIRM CASUALS schmeisst er andauernd neues Material auf den Markt. Ich hatte mich noch nicht einmal richtig von „A Butcher´s Banquet“
sattgehört, stellt er mit dieser 12“ schon wieder eine neue Festung auf. Die ersten Aufnahmen von OLD FIRM CASUALS sind für mich schon fast sowas wie Klassiker – insbesondere die zweite LP.
„Wartime RocknRoll“ ist eher ein hinterlistiger Bastard, der anfangs recht belanglos erscheint – mir fehlte der richtige Ohrwurm, aber nach mehrmaligem Hören, setzt sich die Qualität dann doch
wieder durch. Die mittlerweile 4-köpfige Band hat einfach ein gutes Händchen für solides Songwriting und anscheinend setzen sie mit dieser Scheibe eher auf nachhaltige Wirkung. Im Vergleich zum
eher rockigen Vorgänger mit 1-2 Lückenfüllern, sind diese Songs mit etwas Anlaufzeit problemlos in einem Schwung hörbar. Der Titeltrack ist unterm Strich dann doch ein kleiner Hit für die
Ewigkeit, ein weiterer Baustein für den doch recht hohen Status dieser Band. Respekt gebührt ihnen auch für die Texte, die Messages sind gut verpackt. Jahrelange Routine macht sich
bemerkbar. 7/10 Punkte
ROADSIDE BOMBS: War On Love 7“ (Pirates Press Records)
Die Vorankündigung zum Longplayer – ich finde die Amis nicht schlecht, weil sie mich an die gute Welle der Streetpunkbands erinnert, die so vor 15 Jahren aus dem Land der (un)begrenzten
Möglichkeiten von sich hören ließen. Das Cover zeigt einen Batman-küssenden-Superman, was mich jetzt mangels Textblatt nur Vermutungen hinsichtlich der Message vom Titelsong anstellen lässt. „War
On Love“ ist jedenfalls zu Recht auf der A-Seite gelandet, ein ordentlicher Smasher, wie ihn die GENERATORS auch zu ihren besten Zeiten hingebracht hätten. Hoffentlich gibt’s auf dem nächsten
Album noch ein paar mehr Nummern auf diesem Niveau . 6/10 Punkte
KICKER: Renderate Obsolete (Pirates Press Records)
Eine verhältnismässig neue Band mit älterer Belegschaft, noch dazu klingen die Amerikaner verdammt britisch. Der Gesamteindruck, dass es sich eher um ein Just-for-fun Projekt handelt, wo u.a.
Mitglieder von NEUROSIS mitwirken, will einen nicht loslassen. KICKER erinnern immer wieder an den typischen Beat, den man auch von Bands wie CRASS kennt, eine gewisse Monotonie kann man nicht
abstreiten. Abgesehen davon, dass die Originale dieses Sounds völlig ausreichend sind, besitzt die Scheibe wenig, was mich irgendwie mittelfristig unterhalten könnte. 3/10 Punkte
SLACKERS: Redlight – 20th Anniversary Edition (Pirates Press Records)
Der einzige Minuspunkt dieser Veröffentlichung ist die Erkenntnis, dass sie bereits 20 Jahre alt ist. Unglaublich, wie schnell wie Zeit vergeht –aber umso imposanter, dass dieses Album nichts an
Frische verloren hat. So 2-3 mal jährlich wandert die Platte bei mir auf den Teller – ich halte sie für den Meisterbrief der SLACKERS. Darum begrüße ich auch die Entscheidung von Pirates Press,
diese Scheibe einer neuen Generation an Leuten zugänglich zu machen. 20 Jahre alter Ska/Reggae in Top-Form und keinerlei Abnutzungerscheinungen. Gesundenuntersuchung erfolgreich, nächster Termin
frühestens in 30 Jahren notwendig. 10/10 Punkte
SUEDE RAZORS: Razor Stomp (Rebellion Records)
Nach einigen Singles tasten sich die Amis vorsichtig an ein größeres Format heran. 6 neue Bovverboy-Glam-Stomper sind es geworden. Würde ein Album in voller Länge auch funktionieren? Das
vorliegende Material klingt vielversprechend und frisch, auch wenn die Rezeptur für solchen Sound immer sehr ähnlich ist. Bei SUEDE RAZORS haben sich aber ein paar erfahrene Herren im besten
Alter zusammengefunden und sie schaukeln das Schiff ganz gut. Die Coverzeichnung mundet auch, textlich ist dieses Genre eher zu vernachlässigen. Die Nummern haben Biss, klingen offensiv und
rasiermesserscharf. Hier schließt sich der Kreis wieder, um den diese Combo aufgebaut ist. Sie klingen abgeklärter, als die australischen Kollegen von SHANDY, sind aber keinesfalls
schlechter. Ich glaube, die doppelte Anzahl an Songs auf einer Platte, wäre dann aber schon zu eintönig. Insofern haben sie die Kurve gut gekratzt. Schauen wir mal, was da noch kommt. 6/10
Punkte
PROTEX : Tightrope (Bachelor Records)
Die alte, nordirische Punkband will es auch noch einmal wissen. Erstmal Respekt an das österreichische Label, das diesen Fisch in ihr Boot geholt hat. Die Scheibe beginnt verdammt stark, die
schrubbeligen Punksongs gelingen PROTEX außerordentlich gut. Selbst die etwas softeren Nummern besitzen Dynamik, die ich beim ersten Durchlauf nicht ganz erkennen konnte, aber dann funktionierte
plötzlich das ganze Album. Manchmal ist mir ein wenig die Power im Pop, aber bei den 10 Nummern sind doch knapp 77% im positiven Bereich, das vor allem den eingängigen Refrains zu verdanken ist.
Eine gute halbe Stunde Spielzeit, bis auf einige Durststrecken eine Überraschung. Auch grafisch ist das Album passend umgesetzt. Doch, besitzt Ausstrahlung! 7/10 Punkte
45 ADAPTERS: They Call It Justice 7“ (Pirates Press/Longshot Music)
3 frische Hölzer für den Ofen, derzeit fällt mir nichts ein, das mit dieser Glatzen-Band vergleichbar wäre. Textlich und stilistisch sind die Amerikaner in Höchstform, holen sich die Einflüsse
dort, wo wenige andere hinhören und das macht 45 ADAPTERS zu einer Ausnahme-Band. Der Gesang legt sich fast heldenhaft über den verspielten Beat, der zu gleichen Anteilen von Härte und Melodien
geprägt ist. Textlich richtet sich alles gegen die Modernisierung, gegen sozialen Verfall – in eigenen Worten auf den Punkt gebracht. Kann man bedenkenlos unterschreiben, 100 % Anti-Botox League!
10/10 Punkte
CRIM: Blau Sang, Vermell Cel (Pirates Press/Contra Records)
Mit spanischen Bands habe ich auf lange Strecken oft meine Schwierigkeiten, weil mir die Sprache selten als wirklich kompatibel mit Punkrock erscheint. Als ich auf dem Beipackzettel der Platte
dann auch noch die üblichen Vergleiche mit den ganz großen Bands wie COCK SPARRER oder BAD RELIGION (in welchen Punkten überschneiden sich diese beiden Bands eigentlich auch nur annähernd?)
gelesen habe, war ich etwas voreingenommen. Ich vermutete eine weitere belanglose Platte, die von Anfang bis Ende dahinplätschert und zwischendrin immer wieder bestätigt, warum mir spanische
Bands in Muttersprache meistens auf den Sack gehen. CRIM haben mich dann aber doch eines Besseren belehrt: der Sänger gibt einfach keine Ruhe, es gibt nur wenige rein-instrumentale Momente auf
der Platte, weil der Typ ununterbrochen seine Klappe offen hat. Und ironischerweise klingt das nicht so verkehrt in meinen Ohren, eine beständige Dynamik dürfte also doch gewisse Geschmacksnerven
treffen. So gestaltet sich die LP als kurzweilige Angelegenheit, auch wenn ich von den o.a. Vergleichen zu den genannten Bands immer noch keine Parallelen erkennen kann, ist „Blau Sang, Vermell
Cel“ eine solide Punkscheibe. Mit endlos langen Texten, von denen ich kein Wort verstehe, was dem Hörvergnügen überraschender Weise keinen akuten Abbruch verleiht. 6/10 Punkte
VICTORY: SOS (Pirates Press/Longshot Music/Oi! The Boot/Rebellion)
Nach einer ganzen Flut von 7”-Outputs hat sich eine ähnliche Anzahl von Labels um diese Herren geschart, um als Geburtshelfer für den ersten Longplayer zur Stelle zu sein. VICTORY sind mir in der
Vergangenheit immer nur positiv aufgefallen und ich war gespannt, ob sie ihre Standards auf voller Albumlänge durchhalten würden. Das haben sie, allerdings mit ein paar Tricks in Sachen
Geschwindigkeit und Melodien. Die ungehobelten Ecken und Kanten der früheren Aufnahmen sind etwas glatter und das Tempo der Songs wurde insgesamt angehoben. Das macht diese LP zu einer
schwungvollen Sache, die aber keineswegs einen Stilwechsel der Ami-Skins einläutet. VICTORY sind sich selbst treu geblieben und haben fleißig geprobt, das hört man auf den 13 Tracks deutlich. Den
Lyrics nach zu urteilen, muss man sich keine Sorge um mangelndes Selbstvertrauen bei diesem Oi!/Punk-Schlachtschiff machen – sie befinden sich auf dem Siegeszug! 8/10 Punkte
PABLO MOSES: The Itinuation (Grounded Music)
Generell war ich bei den ersten Durchläufen etwas ratlos, was ich von dem neuen Album des beinahe 70 Jahre alten Reggae Sängers halten sollte. Aber irgendwann hat der Effekt eingesetzt – man muss
nicht krampfhaft nach einem bestimmten Hit auf der Scheibe suchen. Alle 11 Songs weilen auf einem sehr hohen Level und wirken als Gesamtpaket einfach am besten. „The Itinuation“ ist in
enger Zusammenarbeit mit Harrison Stafford entstanden, auf dessen Konto auch etwa ein Drittel der Kompositionen dieses Albums geht. In Summe eine fruchtbare Kooperation, die verspielten
Reggae-Nummern sind stets von der immer noch frischen Stimme überlagert. Die schönen Background-Harmonien lassen stellenweise sogar einen souligen Charakter mitschwingen. Thematisch dürften die
Lieder nichts Neues bieten, aber es gibt bekanntlich noch immer genug grundliegende Probleme auf der Welt. 7/10 Punkte
LOS FASTIDIOS: The sound of revolution (KOB Records)
Schön, wenn die Italiener ihre Mission so konsequent durchziehen. Ich habe ein zwiegespaltenes Verhältnis zu der Band, lange Phasen kann ich sie gar nicht an mein Ohr lassen, dann gibt es wieder
Momente, wo ich mir bewusst die eine oder andere Nummer anhöre. Und ich erwischte mich auch bei einem Gefühl von Neugierde, als dieses neue Album angekündigt wurde. LOS FASTIDIOS mischen
kunterbunte Ska-Rhythmen in ihren Streetpunk Sound. Das machen sie eigentlich schon immer, mal mehr – mal weniger. Die Band, also eigentlich in erster Linie ihr Kopf Enrico, leistet schon
respektable Arbeit und genau das kommt auch beim Soundtrack zur Revolution immer wieder zum Vorschein. Ich muss gestehen, dass die englisch gesungenen Songs zu meinen Favoriten zählen, auch wenn
italienisch ja eigentlich immer so klingt, dass man die Freunde aus dem Nachbarland am liebsten in die Wange zwicken würde. Unterm Strich bleibt die freudige Gewissheit, dass sich LOS FASTIDIOS
mit einem weiteren Longplayer zurückmelden und sich somit einen weiteren Stein in die Krone gesetzt haben. 6/10 Punkte
COCK SPARRER: Forever (Pirates Press/Randale Records)
Andere Bands kündigen schon gerne ein Jahr seuchenartig ihre neuen Alben an, COCK SPARRER habe gerade mal ein paar Wochen Vorlaufzeit genützt, um ein paar Details zu „Forever“ in der Welt zu
verbreiten. Dass die Scheibe ein Selbstläufer ist, wird die wenigsten überraschen – immerhin sind sie der wahre Fels in der Brandung und haben eigentlich immer alles richtig gemacht. COCK SPARRER
ersetzen mit „Forever“ wieder unzählige Bands und deren kläglichen Versuche, neue Meilensteine zu setzen. Das Rezept der Engländer ist einfach altbewährt: kommst Du selten, wirst Du gelten. Und
wenn man in der Zwischenzeit einfach viel Zeit auf allerhand Bühnen verbringt, dann stimmt die Chemie in der Band auch. Bei COCK SPARRER hat man immer das Gefühl, als würden ihnen neue Songs ganz
leicht und automatisch von der Hand gehen. Hätten sie „Forever“ vor 20 Jahren eingespielt, würde sie genauso klingen, wie heute. Das ist dann wohl der Sound für die Ewigkeit – jede Nummer
ein Hit, alle Mitglieder liefern das ab, was sie als Band unverwechselbar macht. Wenn jemand seit 45 Jahren Musik macht und mit Bannern wie „Punk“ oder „Skinhead“ in der Wortwahl mehr als sparsam
umgeht, der hat es offensichtlich verdient, am Gipfel dieser Subkulturen zu stehen. Da wird man sie wahrscheinlich auch niemals wegbekommen, sowas macht Hoffnung. Die Sologitarren kommen wie
Feuerwerke zum Einsatz, Colins Stimme klingt vertrauter denn je. Bei Nummern wie „Every step of the way“ steht der Gesang phasenweise stark im Vordergrund und zeigt, wie wichtig ein guter Sänger
ist. Kein aufgesetztes Gebrüll, sondern charmante Verse, die im Laufe der Zeit immer mehr den Charakter von großväterlichen Weisheiten bekommen. COCK SPARRER sind und bleiben die „Voice of
various generations“ – Forever! 10/10 Punkte
SNIFFING GLUE: I´m not alright (Kidnap Music)
Re-Issue des zweiten Albums der Ausnahmekapelle aus Nordrhein-Westfalen. 80er HC/Punk mit hohem Respekt vor den zeitlosen Klassikern aus den Staaten. SNIFFING GLUE sind eine absolut sympathische
Band und stehen mit ihrem Sound bei mir ganz hoch im Kurs. Ich mag auch ihre anderen Platten, besagte „Im not alright“ ist ursprünglich auf dem kleinen Label Barfight Records erschienen und wird
jetzt dank Kidnap Music hoffentlich nochmal einer weiteren Menschenmasse zugänglich gemacht. Witzig finde ich, dass das Coverdesign im Detail von der ersten Pressung abweicht, der Inhalt ist aber
selbstverständlich der gleiche. SNIFFING GLUE lassen niemals locker, sondern lassen es ordentlich scheppern. Und es artet nie ins Hysterische aus – es sollte viel mehr solcher Bands geben. Fette
Aufmachung! Eine typische Band, von der es nie ausreicht, einen einzelnen Song zu hören, das muss man schon durchlaufen lassen. 9/10 Punkte
EAT//READ//SLEEP: Live Slow//Die Whenever (Kidnap Music)
Das Auge hört bekanntlich mit und allein wegen der Schreibweise des Bandnamens sammelt diese Band nicht unbedingt Pluspunkte. Das Coverdesign ist mir auch etwas zu intellektuell. Die Platte hat
ihre guten Momente, der Kontrast zwischen den Songs mit weiblichem und männlichem Gesang ist auch sehr spannend, aber unterm Strich ist mir das alles zuviel „von überall ein wenig“ an Einflüssen.
Ich verstehe es schon, wenn Bands etwas Neues machen wollen und verschiedene Stile miteinander reagieren lassen - Punkrock ist schon noch die Basis, aber leider zu wenig aus dem Ärmel
geschüttelt. Vielleicht hätte man den wilden Stilmix mit weiteren Alben wachsen lassen sollen, aber das ist schon etwas überfordernd für meine Geschmacksnerven. Es liegt nicht an der temporären
Synthie-Verwendung, sondern der Allgemeineindruck ist einfach aufgesetzt und „zwanghaft anders“. 3/10 Punkte
THE CUNNINGHAMS: Break Out (Steeltown Records/Contra Records)
Streetpunk aus Deutschland hat fast schon eine gesonderte Sparte im Schubladenregal verdient. Darin fühlen sich THE CUNNINGHAMS offensichtlich wohl, wenn man sie dorthin verbannt. Englische
Texte, internationaler Sound, ein paar potentielle Hymnen – mehr ist im Grunde auch gar nicht nötig. Ein solides Album, das an ein paar Stellen noch etwas sperrig wirkt, aber eine Einordnung bei
Bands wie STRONGBOW, TOWERBLOCKS oder CHEAP STUFF kann man problemlos argumentieren. THE CUNNINGHAMS liebäugeln offensichtlich auch mit den ganz großen Helden von OXYMORON, von denen auf „Break
Out“ auch ein Song gecovert wird, aber dazu fehlt es noch etwas an spielerischem Groove. Trotz dieser Abstriche eine runde Sache und erfreulich, dass sich in dieser Ecke Deutschlands musikmäßig
immer wieder neue Bands auftun. 7/10 Punkte
PERKELE: Best from the past (Spirit Of The Streets)
Wenn man seit 24 Jahren Musik macht und nicht nur alle 10 Jahre ein Album auf den Markt wirft, dann darf man ruhig einen Best Of-Auszug aus dem Portfolio zusammenstellen. Darum hat sich
PERKELE-Sänger persönlich gekümmert, er kennt seine Kundschaft gut – immerhin vermisst man bei der ausgewählten 20 Songs keinen Hit der Band. Löblich sind die kurzen Kommentare zu jeder Nummer,
sowie die Tatsache, dass es sich bei „Best from the past“ um keine Mogelpackung. Andere Best-Of Scheiben enthalten gerne irgendwelche miesen Live-Versionen bestimmter Hits, sodass der geneigte
Fan dann erst recht wieder auf ein altes Komplettwerk zurückgreifen muss. Das ist bei dieser Compilation nicht der Fall, die frühe Phase der Band war meiner Meinung nach die Hochzeit von PERKELE
und es freut mich, dass einige Stücke aus dieser Ära zu hören sind. PERKELE sind in manchen Ecken der Szene mit kritischen Meinungen konfrontiert, mir ist das egal, die selbsternannten
Meinungsmacher handeln ohnehin meist aus Neid. Schönes Produkt, das einem erspart, alle alten Platten aus dem Regal zu räumen. 7/10 Punkte
THOSE RAT BASTARDS: Loose Change & Broken Dreams 7“ (Spirit Of The Streets)
Viktor von MOUTHGUARD (und anderen Bands) ist so etwas wie der australische Botschafter für gute Musik aus dem Känguruhland. Bei dieser Combo zupft er auch wieder den 4-Saiter und hat dabei alles
voll im Griff. „Grind You Down“ auf der A-Seite ist ein richtiger Hit, eine ausgezeichnete Oi!/Punknummer, der es an nichts fehlt. Die B-Seite ist nett gemeint, aber hat für mich zu sehr
Schunkelcharakter, der nicht so recht bei mir zünden will. Bleibt zu hoffen, dass sich das Trio eher im Sinne der ersten Nummer weiterentwickelt, dann lohnt es sich, THOSE RAT BASTARDS weiter auf
dem Radar zu behalten. 7/10 Punkte
UNION BLOOD: Working Class Pride 7“ (Spirit Of The Streets)
Würde nicht „Streetpunk“ am Cover stehen, hätte ich zuerst den Eindruck einer Hardcoreband gehabt. UNION BLOOD kommen aus Spanien und sind leider in vielerlei Hinsicht eine Band von der Stange.
Angefangen beim Bandnamen, über die Texte bis hin zum Sound ist das zwar schön und gut – aber eben auch nicht mehr. 08/15 Streetpunk, wie es ihn schon viel zu oft gegeben hat und gibt – sie
bemühen sich zwar um Hymnen, aber die Melodien sind mir noch etwas zu schwach, um nachhaltig Eindruck zu hinterlassen. 4/10 Punkte
RADIO DEAD ONES: Celebrate the end (Bad Dog Records)
Die Berliner RADIO DEAD ONES waren einige Zeit in aller Munde, ich habe sie 1-2 mal live gesehen und da haben sie immer ordentlich Eindruck hinterlassen. Hinterlassen haben sie nun auch noch ein
Album, das im wahrsten Sinne als Abschiedswerk verbucht werden kann. RADIO DEAD ONES haben sich aufgelöst und auf diesem Album hört man die letzten Songs, die unter diesem Namen aufgenommen
wurden. Wenn man sich die 10 Nummern so anhört, dann könnte man sagen, dass sie mitten aus dem Leben gerissen wurden, denn man hört keine Ermüdungserscheinungen oder gar eine lieblose
Zusammenstellung von Liedern, die vorher auch schon auf irgendwelchen Compilations veröffentlicht wurden. RADIO DEAD ONES waren nie die Punks, die auf´s Gaspedal getreten haben, sondern das Tempo
gerne etwas gedrosselt haben und durch melodiösen US-Punk geglänzt haben. Schnell und laut gespielte Songs klingen schnell mal gut, aber RADIO DEAD ONES haben den Gaul gerne verkehrt rum gezäumt.
Gute Sache, die leider im Rahmen dieser Scheibe abgehakt ist. Unter den 10 Stücken tummeln sich doch einige Ohrwürmer, „Hold On Tight“ ist ein gutes Beispiel, warum es wahnsinnig schade um diese
Berliner Punks ist. 7/10 Punkte
BEGBIE BOYS: Bedüdelt und Piekfein (Core Tex Records)/Alles auf einen Deckel
Gleich das erste und das zweite Album, dieser Band aus Baden-Württemberg. Das Erstlingswerk dürfte in Eigenregie unters Volk gebracht worden sein. Die Band wurde mir schon vor einiger Zeit in
einem Stuttgarter Plattenshop empfohlen. Da aber kein Vinyl verfügbar war, habe ich abgelehnt und jetzt kommt das Album wie ein Boomerang in Form einer Cd zu mir retour. Nun komme ich also doch
noch in den Genuss von den BEGBIE BOYS, wobei das aktuelle Werk im Hause Core Tex das Licht der Welt erblickte. So richtig viel Tageslicht dürfte den BEGBIE BOYS allerdings gar nicht bekannt
sein, viel mehr passt der Sound dieser Herren in dunkle, verrauchte Spelunken mit viel Bier, Wein, Weib und Gesang. Ich würde das ganze als deutsches Pendant zum englischem Pubrock bezeichnen.
Schön versoffene Stimme, die zwar einen seriösen Unterton hat, aber den Schalk im Nacken können sie nicht leugnen. Schön schleppender Rock mit deutschen Texten, die Instrumente liegen ähnlich gut
in der Hand wie das Bierglas. Ganz witzige Sache, aber über die Hosenträger-Gürtel-Kombination des Gitarristen auf dem Bandfoto im Booklet des ersten Albums sollten wir uns noch einmal gesondert
unterhalten. 6/10 Punkte
GHOST MAKER: Aloha from the dark shores (DIY)
Hinter diesem Namen verstecken sich 3 Herren, die teilweise in sehr bekannten Bands ihr Können bewiesen haben. Da sie aber offensichtlich ganz bewusst auf Namedropping verzichten, wäre es
verwerflich, wenn man an dieser Stelle erwähnen würde, dass sich bei GHOST MAKER ehemalige Mitglieder von Bands wie MAD SIN oder BAD CO. PROJECT und anderen Kalibern zusammengetan haben. Mit Punk
hat GHOST MAKER allerdings nur sehr entfernt eine Connection, das klingt mehr nach den frühen 90ern mit Noise, Goth und Rock. Anstandslos gut gespielt, aber so gar nicht meine Baustelle. Klingt
aber sehr atmosphärisch und wird bei der richtigen Zielgruppe auch sicherlich positiv aufgenommen. 3/10 Punkte
BERLIN BLACKOUTS: Kissed by the gutter (Core Tex Records)
In einem Interview hat sich Sänger&Gitarrist Bev (ex-RADIO DEAD ONES) im Vergleich zu seinen früheren Tagen als milder beschrieben. Er scheint gut reflektiert zu sein, denn ganz so ungehobelt
wie auf den frühen RADIO DEAD ONES Platten geht es bei den BERLIN BLACKOUTS (leider) nicht zu. Bev war früher immer ein „kleiner Duane Peters“, jetzt dürfte er nicht mehr so auf Rebellion setzen.
Der Punkrock, den die BERLIN BLACKOUTS spielen, ist immer noch Punkrock, aber eben etwas entspannter und sauberer. Sehr gutes Songwriting, die Texte hätten mich interessiert. Ist schon spannend,
was 4 Musiker aus ihren Instrumenten zaubern können. „Kissed by the gutter“ ist ein rundum gelungenes Werk, das jetzt die Nietenpunk-Fraktion wenig beeindrucken wird, aber alle anderen „strangers
on the outside“ sollten sich diese „savage vibrations“ durchaus einmal genehmigen. 8/10 Punkte
UNITED AND STRONG: Colorblind (Core Tex Records)
Optisch und verpackungstechnisch ein ansprechendes Produkt, sehr schöne Fotos auf dem Front und Backcover. Und die Musik? Auch nicht von schlechten (Berliner) Eltern. David von Coretex reichte
mir diese Cd mit den Worten „Das sind gute Jungs, machen Hardcore, aber DIY“. Und damit ist schon viel erzählt – sehr grooviger Hardcore, der sich genau auf dem Grat bewegt, der auch meinen
Geschmack trifft. Ziemlich hart, aber noch kein Metal – volle Gitarrenwucht und ein Sänger, der dieses Schlachtschiff ordentlich schaukelt. Irgendwie würde ich UNITED AND STRONG in einer
Kategorie mit DEEZ NUTS einordnen, das sollte genug sein in Sachen Qualitätsmerkmal. Die Band investiert lieber mehr Zeit für Liveshows und legt gerne beachtliche Distanzen dafür hin. Sehr
sympathisch und wenn man sich Texte wie „The Threat“ durchliest, dann dürften sich die Jungs so schnell nicht kleinkriegen lassen. 8/10 Punkte
BLOOD SHOT DOWN: Demolition (Core Tex Records)
Brachialorchester aus Berlin – für meinen Geschmack zu deftig und heftig. Ist schon deutlich im Metalcore angesiedelt und aus dem Grund eben nicht mein Ding. Runtergestimmte Gitarren,
langgezogenes Gegröhle – ist nicht das, was mir in dieser Konstellation auf Dauer gut ins Ohr geht. Auch wenn ich auf Schubladen wenig gebe, aber hier steht Hardcore drauf und drinnen findet man
definitiv zu viel Metal. 2/10 Punkte
BROMURE: A la roquette (Une Vie Pour Rien Records)
Spätestens beim Blick auf die Dankesliste am Beiblatt ist klar, dass sich diese Band ganz klar in bester Gesellschaft bewegt. Obwohl BROMURE eine brandneue Band aus Frankreich ist, halte ich
diese 7“ schon jetzt für einen absoluten Meilenstein in der französischen Oi!-Landschaft. „Chaos en France“-Feeling trifft auf die Attitüde der ganzen Bands, die über die letzten 10 Jahre über
die Grenzen Frankreichs hinaus ein ansprechendes Image verkörpert haben. Die Verwendung eines Saxophons ist ja fast schon Ehrensache. Ich habe mir nach langer Zeit aus reinem Interesse auch mal
wieder einen Videoclip anlässlich dieser 7“ angeschaut. Leute, die mich kennen, werden bestätigen, dass das nur die Ausnahme ist. Alle 3 Songs sind in Landessprache gesungen und sorgen für beste
Laune. Schön wenn ein Land mit so begnadeten Bands immer wieder für gesunden Nachschub im Bereich der Oi!-Musik sorgt. Sehr empfehlenswerte Band, wenn man auf den markanten Sound der Franzosen
steht. Und ein guter Beweis, dass man Blasinstrumente sehr wohl in Verbindung mit Gitarrenmusik so einsetzen kann, ohne nervenraubende Effekte zu erzielen. 10/10 Punkte
BROILERS: (sic!) (Skull & Palms Recordings)
Spätestens wenn eine Band anfängt, polarisierend zu sein, dann hat sie alles richtig gemacht. Ich kenne die BROILERS seit ihrem ersten Demotape und habe sie noch in Locations gesehen, die
überschaubarer waren als die Backstageräume jener Hallen, in denen sie heute ihr Können unter Beweis stellen. Und ich finde diese Düsseldorfer Band immer noch sympathisch - das hier
vorliegende Album „(sic!)“ gefällt mir genauso gut, wie ihre frühen Aufnahmen. Das mag in erster Linie daran liegen, dass ich die BROILERS über die Jahre nie aus den Augen und Ohren gelassen habe
und mir ihre Entwicklung irgendwie als logisch und sinnvoll erscheint. Ein Konzert von ihnen habe ich das letzte Mal vor ein paar Jahren besucht und ich gönne ihnen ihren Erfolg auf ganzer Linie.
(sic!) ist zwar hoch professionell produziert, der Gesamteindruck ist für mich aber dennoch so, dass die Attitüde der Band stets gleich geblieben ist. Witzig, wie sehr man einzelne Instrumente so
stark reduzieren kann und dennoch ein massives Gesamtergebnis erzielt wird. Irgendwann finde ich die Quelle, wo Sammy die Inspiration für die Wortspielereien in seinen Texten hernimmt. Nicht
minder unterhaltsam finde ich, wie sehr sich irgendwelche Szenehelden in Szene setzen und fast schon im Dieter Bohlen-Style die Band ganz genau unter die Lupe nehmen und dann ungefragt ihre
schwammigen Statements durch soziale Medien jagen. Als Band kann man es keinem Recht machen: bleibt man sich selbst treu, wird man als „langweilig“ abgestempelt - geht man neue Wege, folgt
sofort der Vorwurf des Sellouts. BROILERS gehen meiner Meinung nach immer noch die gleichen Weg, verleugnen auch im Jahr 2017 nicht ihre Roots und auch wenn sie mittlerweile doch zu den großen
Pferden im Stall zählen, sind sie immer noch greifbar und glaubwürdig geblieben. Bestimmt ist es keine halbherzige Floskel, sondern ein Bekennen, dass sie immer noch gerne ihre alten Tapes
hervorkramen und wissen wo sie herkommen. 9/10 Punkte
BOOZE & GLORY: Chapter IV (Burning Heart Records)
So vielversprechend BOOZE&GLORY in ihren Anfangstagen waren, so unsympathisch haben sie sich über die letzten Jahre entwickelt. Ich bin kein Gegner von melodiöser Oi!-Musik, aber das was
diese Bande da fabriziert, halte ich nicht so ganz aus. Generell sind mir Bands ungeheuerlich, die zeitgleich mit einem Labelwechsel auch gleichmal einen Imagewechsel durchmachen. Zumindest
beschleicht mich dieser Eindruck. Ich halte Burning Heart für ein gutes Plattenlabel, aber oft gibt es einen Grund, wieso man nicht alles an Land zieht, was verloren im Meer herumgondelt. Bands
wie BOOZE&GLORY tragen dazu bei, dass manche subkulturelle Aspekt immer mehr austauschbaren Plastik-Charakter bekommen. Ich habe mir „Chapter IV“ wirklich ohne Vorurteile angehört und fand
die Scheibe von Mal zu Mal lächerlicher. Klar, sie können schon gut spielen, das will ich gar nicht abstreiten, aber der Gesamteindruck ist einfach peinlich. Das ist so ein schunkeliger
Musikantenstadl, bei dem wohl maximal der Entscheidungsträger des H&M Sortiments für die nächste Saison seine Freude hat. Es freut mich für die Band, wenn sie so eine breitere Masse
ansprechen wollen, oder vielleicht bekommt dieser Werdegang ab einem gewissen Zeitpunkt auch eine willkürliche Dynamik. Fest steht, dass ich mit der Zielgruppe für dieses Produkt wenig bis nichts
zu tun haben möchte. Klingt einfach zu aufgesetzt und glatt. 2/10 Punkte
CONCRETE ELITE: Iron Rose (Rebellion/Longshot Music)
Texas is the reason - von dort kommen diese 5 Burschen, die sich soundtechnisch im harten Eck wohlfühlen. Der Sänger hat eine Stimme, als wäre er der gefürchtete Endgegner eines 90er-Jahre
Computerspiels und die Gitarrenriffs schleudern wellenartige Angriffe, die niemals aufhören wollen. Ein sehr offensives Album, dessen Cover her eher an ein Relikt einer vergessenen Hard&Heavy
Band aus den frühen 80ern erinnert. Kurze Haare und ein wenig zeitgenössischer Hardcore-Einschlag, das Zusammenspiel innerhalb der Band klappt sehr gut. Stellenweise erinnern sie mich an eine
flottere Version von frühen RAZORBLADE. Vielleicht hat sie deswegen auch Wouter von Rebellion unter Vertrag genommen? Ansich unwichtig, die Band gibt ordentlich Gas und ist ein brauchbarer
Soundtrack, wenn man einmal ordentlich Dampf ablassen will. Der Name der Band könnte passender nicht gewählt werden. 7/10 Punkte
HARLEY FLANAGAN: Hard-Core, Life Of My Own (Feral House)
Es gibt da draussen unzählige Fanatiker für die CRO-MAGS, das ist Fakt. Und das ist auch völlig okay so, immerhin könnte man sie durchaus als subkulturelles Weltkulturerbe durchgehen lassen.
Leistung haben sie in der Vergangenheit genug erbracht. Dass es hinter den Kulissen und vor allem innerhalb der Band nicht immer einfach abgelaufen ist, ist den meisten Leuten wahrscheinlich
bekannt. Auch wenn so interne Konflikte meiner Meinung nach in der Öffentlichkeit nichts verloren haben. Auf der anderen Seite ist dies auch wieder ein Beweis dafür, dass CRO-MAGS immer eine
„echte“ Band waren und wenn sich in einer Band gleich zwei ausdrucksstarke Persönlichkeiten in die Haare kriegen, dann ist natürlich bitter. Weitaus peinlicher finde ich allerdings die Tatsache,
dass sich die Fans in solche Angelegenheiten einmischen und dann irgendwie Partei ergriffen wird. Das ist fast mit jenen Leuten vergleichbar, die am Samstag Abend irgendwelche Castingshows
schauen und dann via Handy ihre Stimmen abgeben. Aber okay, Harley Flanagan genießt ein gesundes Maß an Aufmerksamkeit und verrät in seinem Buch viele Details über sein bewegtes Leben. Das hat er
auch definitiv geführt. Viele Passagen in dem vorliegenden Buch sind schon sehr lesenswert und unterhaltsam. Dass der Autor leicht narzisstische Tendezen hat, finde ich nicht weiter schlimm -
immerhin hat er in vielerlei Hinsicht Grund genug für diese Haltung. Was an dem Buch auf Dauer aber etwas nervt, ist der Stil, in dem es geschrieben ist. Ich finde die Wortwahl und die immer
wieder kehrenden Phrasen auf Dauer etwas anstrengend und sie nehmen dem Buch stellenweise die Spannung. Auch wenn wahrscheinlich ein gegenteiliger Effekt geplant gewesen wäre. Aber wenn zum x-ten
Mal gesagt wird, dass das das wildeste Erlebnis ever war und zwei Sätze später von einem nochmal wilderen Vorfall geschrieben wird, wird es irgendwann mühsam. Das ist der einzige Minuspunkt an
dieser Autobiografie, die neben dem privaten Leben des CRO-MAGS Bassisten sehr viel über den Werdegang der Band selbst erzählt. Ich möchte nicht derjenige sein, der dieses Buch auf Deutsch
übersetzen muss, denn die banalen Phrasen zwischendurch sind schon auf Englisch manchmal schwer verdaubar.
REIZ: s/t (Spastic Fantastic)
Als bekennender Fan der Berliner SHOCKS ist diese Band samt Longplayer ein Geschenk des Himmels. Alles, was man seit der Auflösung der SHOCKS vermisst, machen REIZ wieder gut. Ob sie das ganz
gezielt machen oder einfach selbst Fans dieses Sounds sind, ist mir völlig egal. REIZ kommen aus Mannheim und hauen einem auf dieser Platte Hit an Hit um die Ohren. Sie sind manchmal richtig
schnell unterwegs, der nörgelnde, emotionslose Gesang dazu - das ist gesamt dennoch ein emotionales Feuerwerk. 77er Punk mit deutschen Texten, nicht peinlich sondern stark. 10 Nummern sind völlig
ausreichend. Ich bin begeistert, da rebelliere ich gerne gegen das Punktsystem: 77/10 Punkte
Tausend Löwen unter Feinden/LASTLIGHT: Compilation Of Unity (Unity Worldwide Rec.)
Soviel Unity, die von diesem Split-Projekt untermauert wird. Auf die neuen Aufnahmen von TLUF war ich schon sehr gespannt und wurde nicht enttäuscht. Kurz und knapp scheppert die deutsche
Ausnahme HC-Band ihre Beiträge zu dieser Split aus den Boxen. Mit einer Wucht, die ihresgleichen sucht. Hier bemerkt man deutlich, dass trotz Härte und Groove der Punkrock an den Herren nicht
spurlos vorbeigegangen ist. Sehr dynamische Songs und für mich somit die klaren Gewinner der Split, auch wenn es bei dieser Compilation bestimmt nicht um Konkurrenz geht. Unabhängig davon kann
ich mich LASTLIGHT trotz des Namedroppings wenig anfangen, was primär an der Stimmhöhe des Sängers liegt. Melodischer Hardcore ist eine ganz eigene Schublade, in die ich nur sehr selten greife.
Dennoch eine runde Sache, die mir besonders wegen den deutschen Löwen gut gefällt. 6/10 Punkte